Wenn Behandlung zur Gefahr wird…

BVT* und HAKI Kiel warnen vor Backlash bei psychotherapeutischer Versorgung

Berlin, 09. Oktober 2019: Der Bundesverband Trans* e.V. und der HAKI e.V. Kiel beobachten mit großer Sorge das Wiederaufleben von wissenschaftlich längst verworfenen und unzureichenden Ansätzen bei der psychotherapeutischen Versorgung von trans* Menschen. Psychotherapie und Sexualwissenschaft haben in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erzielt. Einzelne Vertreter_innen stellen aber zunehmend erfolgreiche evidenzbasierte Ansätze und den aktuellen Wissensstand in Frage, ohne konkrete wissenschaftliche Ergebnisse vorzulegen.

Annette Güldenring, Sprecherin der AG Gesundheit des Bundesverbands Trans* und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sagt dazu:
„Diese Entwicklung wäre schon bedenklich, fände sie allein in einem akademischen Rahmen statt. Die Autor_innen dieser Veröffentlichungen arbeiten aber in leitenden Funktionen in staatlichen Transgender-Ambulanzen. Sie propagieren als Therapieziel die Aussöhnung mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht oder verhindern für trans* Kinder und Jugendliche eine angemessene medikamentöse Versorgung. Die entstehende Gefahr für Behandlungssuchende kann gar nicht unterschätzt werden. Ihre psychische Situation verschlechtert sich – im schlimmsten Fall bis zur Suizidalität. Wir möchten darauf hinarbeiten, dass alle Betroffenen in allen Behandlungen – ob nun in Trans*-Spezialzentren oder im niedergelassenen Bereich – eine evidenzbasierte und bedürfnisorientierte Versorgung erhalten. Behandlungsangebote, in denen das tatsächlich möglich ist, können beim Bundesverband Trans* und bei anderen nationalen und regionalen Trans*-Organisationen wie dem HAKI e.V. erfragt werden.“

Hintergrund: In jüngster Zeit haben Autor_innen in sexualmedizinischen Fachzeitschriften die Meinung vertreten, Therapien sollten bei trans* Personen mit dem Ziel angewendet werden, die geschlechtliche Identität an ein binäres und auf Fortpflanzungsfunktion beruhendes Geschlechtermodell anzupassen. Gleichzeitig wurden in den vergangenen Monaten in Leitmedien zunehmend Interviews veröffentlicht, in denen Transgeschlechtlichkeit als Modeerscheinung dargestellt wird. Diesen Meinungen ist von Wissenschaft und Öffentlichkeit deutlich widersprochen worden. Ärztliche Standesvertretungen und medizinische Fachgesellschaften sind hier auch in Zukunft gefordert die Fortschritte zu erhalten, die in der medizinischen Versorgung von trans* Personen in den vergangenen Jahrzehnten erzielt worden sind. Dazu zählen eine ergebnisoffene und respektvolle Begleitung, um erwachsenen und jugendlichen Behandlungssuchenden eine selbstbestimmte Entscheidung über ihre Geschlechtsidentität zu ermöglichen und eine Behandlung auf Grundlage empirisch nachgewiesener Wirksamkeit.

Die Presseerklärung als PDF zum Download

Foto: Daniel Cubas, pixabay