Arbeitskreis Abstammung zementiert Rechtsbegriff „Mutter“ – fatale Folgen für trans* Eltern

Der Arbeitskreis Abstammungsrecht des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat nach zweijähriger Arbeit seinen Bericht zur Reform des Abstammungsrechts vorgelegt. Nach den Empfehlungen des Arbeitskreises soll wie bisher gelten, dass die Person, die ein Kind zur Welt bringt, dem Kind rechtlich als Mutter zugeordnet wird.

Sascha Rewald von der AG Elternschaft der Bundesvereinigung Trans* erklärt dazu:
„Dies ist eine für gebärende trans* Männer und deren Kinder unzumutbare Regelung. Der Arbeitskreis Abstammungsrecht hat damit die Chance vertan, eine Empfehlung auszusprechen, die die rechtliche Diskriminierung von gebärenden Männern beendet und die soziale Situation der betreffenden Familien abbildet und unterstützt.“

Und fügt hinzu: „Die Empfehlung des Arbeitskreises Abstammungsrecht, an ‚erster Elternstelle‘ werde einem Kind immer die Person zugeordnet, die es geboren hat, könnte für gebärende trans* Männer eine Lösung der derzeit unhaltbaren Situation darstellen. Warum im weiteren Text daran festgehalten wird, diese ‚erste Elternstelle‘ müsse unabhängig von der rechtlichen Geschlechtsidentität dieses Elternteils die ‚rechtliche Mutter‘ sein, ist vor diesem Hintergrund völlig unverständlich. Rechtssicherheit für gebärende trans* Männer bedeutet, dass sie rechtlich ohne Wenn und Aber als das anerkannt werden, was sie für ihre Kinder sind: Väter.“
Die Bundesvereinigung Trans* fordert:

  • Die rechtliche Zuordnung von Eltern zu ihren Kindern soll geschlechtsneutral erfolgen. Insbesondere soll § 1591 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geändert werden in: „Erster Elternteil eines Kindes ist die Person, die es geboren hat.“ Was die Zuordnung des zweiten Elternteils betrifft, schließen wir uns der Empfehlung des Arbeitskreises an, dass das Geschlecht des Elternteils an dieser Stelle unerheblich ist.
  • Eintragungen der Eltern im Geburtenregister und in Geburtsurkunden sollen geschlechtsneutral und mit dem aktuell geführten Vornamen erfolgen. Bei Namensänderung von Eltern nach Geburt eines Kindes müssen auch diese Dokumente rückwirkend aktualisiert werden. Es wird gefordert, dass alle Eltern als „Eltern“ registriert werden (Wegfall der geschlechtsspezifischen Registrierung). Eine solche Regelung würde allen denkbaren Zwei-Eltern-Konstellationen diskriminierungsfrei gerecht werden, dadurch würde auch der Situation von nicht binären Eltern Rechnung getragen, die von der aktuellen Gesetzgebung nicht berücksichtigt werden.
  • Das Transsexuellengesetz (TSG) muss abgeschafft und durch ein Geschlechtsidentitätsgesetz ersetzt werden, wie es in Malta und Argentinien bereits existiert und wie in einem Gutachten der Humboldt-Universität im Auftrag des Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) für Deutschland entwickelt wurde.

Transgender Europe (TGEU) unterstützt diese Forderungen der Bundesvereinigung Trans*.

Hintergrund:

Zur Vielfalt der heutigen Familienformen zählen auch Trans*-Familien, also Familien, in denen (mindestens) ein Familienmitglied transgeschlechtlich ist. Die rechtliche Zuordnung von transgeschlechtlichen Eltern zu ihren Kindern ist in Deutschland unzureichend geklärt. Insbesondere im Interesse der Kinder ist die Schaffung einer nicht diskriminierenden Zuordnung dringend notwendig.

Mit Beschluss vom 11. Januar 2011 hat das BVerfG die Sterilisation als Voraussetzung für die Personenstandsänderung von trans* Personen für verfassungswidrig erklärt. Seitdem ist es in Deutschland möglich, dass rechtliche Männer Kinder gebären und rechtliche Frauen Kinder zeugen. Immer mehr trans* Personen sehen keinen Widerspruch zu ihrer Transidentität, wenn sie sich dafür entscheiden, Familien zu gründen und zu diesem Zweck ihren Körper und ihre Organe zur Fortpflanzung zu nutzen. Auch der aktuelle Entwurf der überarbeiteten medizinischen AWMF-Leitlinien zu „Geschlechtsdysphorie“ trägt dieser Pluralität geschlechtlicher Identifizierungen, Körperlichkeiten und Lebensentwürfen bei Trans*-Menschen Rechnung.

Für transgeschlechtliche Eltern gilt zurzeit noch das in vielen Punkten strittige Transsexuellengesetz (TSG), auf das sich auch der Arbeitskreis Abstammungsrecht in seiner Argumentation im Abschlussbericht bezieht. So werden aktuell für die Kinder von trans* Personen Geburtsurkunden ausgestellt, die nicht der Lebensrealität der Familien entsprechen, da trans* Männer als Mütter und trans* Frauen als Väter registriert werden. Darüber hinaus erfahren nicht-binäre Eltern zur Zeit weder in den Geburtsurkunden ihrer Kinder, noch in sonstigen rechtlichen Dokumenten Anerkennung ihres Identitätsgeschlechts.

Falsche Geburtsurkunden führen im Alltag dazu, dass trans* Eltern ihre Transidentität überall offenlegen müssen, da ihr Erscheinungsbild und die Angaben im Personalausweis nicht mit den Angaben in der Geburtsurkunde des Kindes übereinstimmen. Auch für die Kinder ist dieses Dauer-Outing der Eltern stigmatisierend und für ihr gesamtes familiäres Bezugssystem belastend, was nicht dem Kindeswohl entsprechen kann.

Die Zuordnung von gebärenden Vätern als rechtliche Mütter und zeugenden Müttern als rechtliche Väter widerspricht der sozialen Realität der Familien. Darüber hinaus widerspricht dieser Zwang zur Offenlegung dem Offenbarungsverbot gemäß § 5 Abs 1 TSG und setzt die jungen Familien einer erhöhten Gefahr der Diskriminierung aus. Der Kommissionsvorschlag ist als würde- und persönlichkeitsrechtsverletzend einzuordnen. Er verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes.

Unsere Forderungen im Detail: Policy Paper Recht der Bundesvereinigung Trans*: Paradigmenwechel – Zum Reformbedarf des Rechts in Bezug auf Trans* (PDF)
Pressererklärung im PDF-Format

Nachfragen: Caroline Ausserer | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit | 0177 – 1431 841 | presse@bv-trans.de